Schwerpunktreihe 2022: Deutschland und der Kolonialismus

Vortrag von Prof. Dr. Benedikt Stuchtey (Universität Bamberg) am 30. März 2022 im Ev. Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.

Der europäische Kolonialismus gehört zu den momentan am meisten debattierten Themen auf dem Feld der Geschichte. Zwar sind die Motive, die Praxis und die Folgen des Kolonialismus in großen Teilen erforscht. Doch war das Thema bis vor wenigen Jahren in der Öffentlichkeit kaum präsent. Nun aber erhitzt die Frage, wie im Namen der europäischen Zivilisation Verbrechen bis hin zum Völkermord möglich waren und wie wir damit umgehen, die Gemüter

Benedikt Stuchteyist Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Philipps-Universität Marburg.

Vortrag von Prof. Dr. Hubertus Büschel (Universität Kassel) am 23. Juni 2022 im Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

Mehrere Staaten des afrikanischen Kontinents waren seit den 1960er Jahren das Ziel deutscher Entwicklungsarbeit, sowohl durch die Bundesrepublik als auch die DDR. Beide deutschen Staaten setzten in der Überzeugung, das „bessere“ Konzept zur Unterstützung zu kennen, die deutsch-deutsche Konkurrenz im Kontext des Kalten Krieges fort. Gleichzeitig war die koloniale Vergangenheit in dem Angebot der westdeutschen „Entwicklungshilfe“ und dem Versprechen der DDR von „Solidarität“ greifbar. Theorie und Praxis waren von gesellschaftlichen und kulturellen Vorbehalten geprägt.

Der Historiker Prof. Dr. Hubertus Büschel zeigt in seinem Vortrag die kolonialen Schatten auf, die Personal und Institutionen, Sprache und Denkmuster der deutschen „Entwicklungsmaschine“ warfen. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Kassel und Spezialist für Afrikanische Geschichte und Globalgeschichte im 20. Jahrhundert.

Vortrag von Prof. Dr. Ulrike Lindner (Universität Köln) am 14. Juli 2022 in der Württembergischen Landesibliothek Stuttgart.

Der europäische Kolonialismus gehört zu den international am meisten diskutierten Themen der neueren Geschichte – auch in Deutschland. Denn spät und auf durchaus folgen-reiche Weise gründete das Deutsche Kaiserreich ab 1884 Kolonien in Afrika, China und Ozeanien. In ihrem Vortrag untersucht die Historikerin Ulrike Lindner die deutsche Kolonialherrschaft in Afrika, die nicht zuletzt wegen besonders brutal geführter Kolonialkriege bis heute für Kontroversen sorgt.

Prof. Dr. Ulrike Lindner ist Professorin für Neuere Geschichte, insbesondere für die Geschichte Europas und des europäischen Kolonialismus an der Universität zu Köln.

Podiumsgespräch mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger (Präsident Preußischer Kulturbesitz), Prof. Dr. Inés de Castro (Linden-Museum) und Dr. Ernst Wolfgang Becker (Moderation, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus) am 3. November 2022 im Linden-Museum Stuttgart.

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt Forum war von Beginn an umstritten. Angelegt als Begegnungsstätte für die Kulturen der Welt, stand in den letzten Jahren vor allem der Umgang mit den ethnologischen Sammlungen in der Kritik. An viele Objekte aus Afrika und Asien knüpften sich Fragen ihrer rechtmäßigen Erwerbung sowie der Rückgabe oder angemessenen Präsentation geraubter Kulturgüter. Das Humboldt Forum wurde zu einem zentralen Ort der Kontroverse um das koloniale Erbe in Deutschland insgesamt.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und war einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums. Prof. Dr. Inés de Castro ist Direktorin des Linden-Museums Stuttgart. Dr. Ernst Wolfgang Becker ist stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.

Vortrag von Dr. Rachel O'Sullivan (Institut für Zeitgeschichte Münschen) am 30. November 2022 in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.

Was hat der Holocaust mit dem Kolonialismus zu tun? Seit Jahrzehnten wird in der Wissenschaft über die möglichen Kontinuitäten oder Ähnlichkeiten zwischen Holocaust und kolonialer Gewalt diskutiert. In den letzten Jahren hat sich auf der Grundlage der wissenschaftlichen Debatte ein öffentlicher Streit entzündet, in dem es um Erinnerungskultur, nationale Identität und eine „koloniale Vergangenheitsbewältigung“ geht. Während die einen die Einzigartigkeit des Holocaust betonen, suchen die anderen, neue Erkenntnisse aus dem Vergleich zu ziehen. Wie können die beiden Seiten der Debatte nebeneinander bestehen?

Rachel O'Sullivan ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Holocaust-Studien, Institut für Zeitgeschichte in München.