
Biographische Daten: Kaiserreich
1884 | Theodor Heuss – Lebensstationen 31.1.1884 Geburt |
Familie Heuss, um 1885 (v.l.n.r.): Hermann (1882-1959), Elisabeth (1853-1921), Theodor (1884-1963), Louis (1853-1903) und Ludwig (1881-1932) | |
1892 | Eintritt ins humanistische Karls-Gymnasium |
Theodor Heuss als Vierzehnjähriger, 1898 | |
1902 | Erste Begegnung mit Friedrich Naumann |
Nach dem Abitur besucht Theodor Heuss im Rahmen einer Wanderung durch Norddeutschland den Parteitag der Nationalsozialen in Hannover und begegnet dort erstmals der Person, die seinen weiteren Lebensweg von nun an maßgeblich beeinflussen sollte. ![]() Friedrich Naumann (1860–1919) kommt politisch von der christlich-sozialen Bewegung des Hofpredigers Adolf Stöcker her, von deren Konservativismus und Antisemitismus er sich zunehmend distanziert. Beeinflusst von Max Weber gründet Naumann 1896 den Nationalsozialen Verein, der für eine Verbindung von sozialem und nationalem Gedankengut, von Demokratisierung der Monarchie und Weltmachtpolitik eintritt. Theodor Heuss und Friedrich Naumann vor der Redaktion der „Hilfe” | |
1902- 1905 | Studium der Nationalökonomie in München und Berlin |
Statt sein Studium – wie es für einen Schwaben seinerzeit üblich war – an der geistigen Neckarmetropole Tübingen zu beginnen, geht Theodor Heuss nach München, um u. a. bei dem Nationalökonomen Lujo Brentano, einem Naumann-Anhänger, zu hören. Klare Vorstellungen über seine Studienziele hat Heuss freilich noch nicht, belegt er doch neben Nationalökonomie auch Staatslehre, Philosophie, Historie, Kunstgeschichte und Literatur. Doch vor allem die sozialpolitisch orientierte Nationalökonomie Brentanos ist es, die auf den jungen Heuss Einfluss ausübt.
Im Fotoatelier mit den Freunden der Münchner Jahre (v.l. oben n.r. unten):Karl Glass, Theodor Heuss, Gustav Stotz (Foto: Familienarchiv Heuss, Basel) | |
1905 | Eintritt in die Redaktion der „Hilfe” in Berlin |
1894 als christlich-soziales Blatt von Friedrich Naumann gegründet, entwickelt sich „Die Hilfe” in den kommenden Jahren in außenpolitischen Fragen zu einem Sprachrohr der Kolonial- und Weltpolitik, die aber von gesellschaftlichen Reformen im Rahmen eines sozialen Kaisertums begleitet werden sollte. Dieser soziale Nationalismus der „Hilfe” findet mit dem Zusammenschluss mehrerer linksliberaler Parteien seit 1907 zunehmend Verbreitung im Bürgertum. Theodor Heuss ist zunächst beinahe ausschließlich für das literarische Beiblatt der Zeitschrift zuständig. Er schreibt überwiegend Feuilleton-Beiträge, die in ihrer allgemein verständlichen Art der volkspädagogischen Absicht Naumanns entsprechen. 1907 übernimmt Heuss auch die politische Redaktion der Zeitschrift und erörtert nun zunehmend grundsätzliche Themen wie das Verhältnis zur Sozialdemokratie und das preußische Dreiklassenwahlrecht, Parlamentarisierung der Reichsverfassung und Sozialpolitik, kaum hingegen Fragen der Außenpolitik. Der Schwerpunkt seiner Beiträge liegt aber weiterhin auf literarisch-künstlerischem Gebiet. Seine ersten journalistischen Sporen verdient sich Heuss bei der von Friedrich Naumann herausgegebenen Wochenschrift „Die Hilfe”. In der abgebildeten Ausgabe vom 22. 7. 1906 kommentiert Heuss unter der Überschrift „Die Demokratisierung des deutschen Südens” die Verfassungsreform im Königreich Württemberg. (Faksimile, SBTH) | |
1906 | Kunstgeschichtliche Bildungsreise nach Paris |
Eine der ersten größeren Auslandsreisen führt Theodor Heuss für drei Wochen nach Paris, wo er sich unter kunstgeschichtlichen und kulturellen Aspekten die französische Hauptstadt erschließt. Neue Eindrücke und Erkenntnisse werden von ihm auf Ansichtskarten und in kurzen Briefen an Freunde oder Verwandte notiert und beeindruckende Beobachtungen und Impressionen auf dem Zeichenblock festgehalten. Theodor Heuss: Paris, Kreide auf Papier, 28. 8. 1925 (Faksimile: Familienarchiv Heuss, Basel) Schon als Jugendlicher hat Heuss Teile Deutschlands erwandert. Als junger Redakteur beginnt er damit, seine Studienreisen in die europäischen Nachbarländer auszuweiten. Zur Finanzierung dieser Reisen verfasst Heuss kleinere Artikel und Reiseskizzen, die er in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Seine „Pariser Eindrücke” erscheinen wenige Monate später in „Patria”, dem Jahrbuch der „Hilfe”. | |
1907 | Erfolgreicher Reichstagswahlkampf für Friedrich Naumann in Heilbronn |
Friedrich Naumann (1860–1919) | |
1908 | Hochzeit mit Elly Knapp in Straßburg |
Elly absolviert 1899 das Lehrerinnenexamen. Anschließend erteilt sie Unterricht in einer von ihr gegründeten Privatschule und hält zahlreiche Vorträge zu sozialen und Frauenfragen. Publizistisch wirkt sie u. a. in der „Hilfe” von Naumann mit, den sie schon 1903 kennengelernt hatte. Mit Heuss verbindet sie von Anfang an die Bewunderung für die Person und Politik Naumanns. Friedrich Naumann ist es auch, der anlässlich der Hochzeit von Theodor Heuss und Elly Knapp am 11. April 1908 die Tischrede hält. Die Trauung selbst nimmt keiner Geringerer als Albert Schweitzer vor, ein Jugendfreund der Braut. Elly Knapp und Theodor Heuss im Winter 1905/06 in Berlin | |
1910 | Geburt des Sohnes Ernst Ludwig |
Am 5. August 1910 bekommen Elly Heuss-Knapp und Theodor Heuss ihr einziges Kind, Ernst Ludwig. Die schwierige Geburt hätte der Mutter fast das Leben gekostet. Familie Heuss: Elly und Theodor Heuss mit ihrem Sohn Ernst Ludwig (1910–1967), um 1911 (Foto: Familienarchiv Heuss, Basel) | |
1912 | Übernahme der Chefredaktion der „Heilbronner Neckar-Zeitung” |
Seitdem 1902 der Naumann-Anhänger Ernst Jäckh die Chefredaktion der „Neckar-Zeitung” übernommen hatte, bestand eine enge Verbindung zu Friedrich Naumann, den das Blatt im Wahlkampf 1907 massiv unterstützt. Als Jäckh in die Geschäftsführung des Werkbundes nach Berlin berufen wird, tritt Theodor Heuss 1912 dessen Nachfolge als Chefredakteur der "Neckar-Zeitung" an, für die er schon von Berlin aus regelmäßig geschrieben hat. ![]() Als Chefredakteur der Neckar-Zeitung berichtet Heuss am 29. Juni 1914 über die Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaars in Sarajewo. Bis dahin waren bei dem Blatt weder Schlagzeilen noch Abbildungen üblich. (Faksimile, Württembergische
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1912 | Erfolglose Kandidatur in Backnang für den württembergischen Landtag |
Wahlanzeige für Heuss bei den Wahlen zum württembergischen Landtag 1912 Backnanger Volksfreund, 16.11.1912 (Faksimile: Württembergische Landesbibliothek.) | |
1913 | Übernahme der Redaktion des „März” |
Für die Zeitschrift „März” schreiben prominente Schriftsteller wie Ludwig Thoma oder solche, die es, wie Kurt Tucholsky, bald werden sollten. (Faksimile, SBTH)
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1914- 1918 | Kommentator des Krieges |
Theodor Heuss: Hermann Hesse, der „vaterlandslose Gesell”, in: Neckar-Zeitung, 1. 11. 1915 (Faksimile, Stadtarchiv Heilbronn) Der Deutschland vermeintlich aufgezwungene Krieg rechtfertigt für Heuss auch die Verletzung der belgischen Neutralität. Noch 1917 heißt er den von deutscher Seite erklärten uneingeschränkten U-Boot-Krieg gut. Einen Frieden ohne Grenzverschiebungen lehnt Heuss ab, befürwortet er doch im Sinne des Naumannschen Mitteleuropakonzepts eine Zurückdrängung Russlands und eine Einbeziehung der östlichen „Zwischenvölker” in eine mitteleuropäische Staatsgruppe unter deutscher Vorherrschaft. Die chauvinistisch übersteigerte Kriegshysterie teilt Heuss' liberaler „Föderativimperialismus” freilich nicht. Verfassungs- und gesellschaftspolitisch geht Heuss von der Reformfähigkeit des wilhelminischen Staates aus. Im Zeichen der Burgfrieden-Politik scheut er grundsätzliche Kritik an der Monarchie, die er als Symbol einer zentralistischen Reichseinheit befürwortet. Zurückhaltender als vor dem Krieg fordert er seit 1917 eine Demokratisierung im Rahmen eines Volkskaisertums, ohne freilich die Regierung in Abhängigkeit vom Parlament bringen zu wollen. | |
1918 | Übernahme der Geschäftsführung des Deutschen Werkbundes und der Schriftleitung der Zeitschrift „Deutsche Politik” in Berlin |
Teilansicht der Stuttgarter Weißenhofsiedlung vom Höhenrestaurant aus, Januar 1930
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1918 | Eintritt in die DDP |
Um sich am demokratischen Neuaufbau zu beteiligen, tritt Theodor Heuss sogleich der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, die am 20. November 1918 von Friedrich Naumann gegründet wird. Neben den Sozialdemokraten und dem katholischen Zentrum gehört sie zu den drei entschieden republiktreuen Parteien der Weimarer Zeit. | |